Gastbeitrag von Michael Mohe
Hast du dich schon einmal gefragt, warum manche SAP-Projekte reibungslos verlaufen, während andere im Chaos versinken? Die Technologie – sei es SAP S/4HANA oder andere Module – ist oftmals zu großen Teilen standardisiert und folgt bekannten Mustern. Doch der entscheidende Erfolgsfaktor liegt nicht allein in der Technik, sondern darin, wie dein Kunde tickt und du ihn verstehst.
Jeder Kunde ist einzigartig
Als SAP-Consultant kennst du die Standardprozesse in- und auswendig. Aber: Jeder Kunde bringt seine ganz eigene Kultur, Dynamik und Herausforderungen mit. Was für den einen funktioniert, kann bei einem anderen scheitern. Stell dir vor, du würdest einem Kunden den gleichen Standardansatz präsentieren, den du bereits bei dutzenden Projekten angewandt hast – und dann dich wundern, warum die erhoffte Wirkung ausbleibt. Die Realität zeigt: Erfolg entsteht durch die Fähigkeit, sich auf den jeweiligen Kunden einzustellen.
Warum es so wichtig ist, den Kunden zu verstehen
Verstehen, wie dein Kunde tickt, bedeutet:
Risiken minimieren: Ein tiefes Verständnis verhindert Fehleinschätzungen und unerwartete Stolpersteine.
Mehrwert schaffen: Wenn du die individuellen Bedürfnisse erkennst, kannst du maßgeschneiderte Lösungen anbieten.
Langfristige Beziehungen aufbauen: Ein Kunde, der sich verstanden fühlt, wird auch in Zukunft auf dich vertrauen.
Gerade im SAP-Umfeld, wo Transformationsprozesse oft komplex und langwierig sind, kann dieses Verständnis den Unterschied zwischen einem rein technischen Roll-out und einer nachhaltigen digitalen Transformation ausmachen.
Quick–Tipp: Modelle zu Einschätzung deines Kunden
Hier zwei bewährte Modelle, die dir helfen, deinen Kunden besser einzuschätzen und maßgeschneiderte Strategien zu entwickeln:
1. Der Klassiker: Das Eisberg–Modell
Das Eisbergmodell verdeutlicht, dass das, was du in einem Unternehmen siehst, nur die Spitze des Eisbergs ist. Der sichtbare Teil umfasst formale Strukturen, Prozesse und Verhaltensweisen – all das, was leicht dokumentiert und beobachtet werden kann. Doch der Großteil – die Werte, Überzeugungen, kulturellen Normen und emotionalen Dynamiken – bleibt oft verborgen.
Beispiel aus der SAP–Praxis:
In einem SAP-Implementierungsprojekt erscheinen die Projektpläne, Meilensteine und Berichtsstrukturen als klare Indikatoren für den Erfolg. Doch dahinter können informelle Netzwerke, Machtstrukturen und subtile Kommunikationsmuster liegen, die die Einführung neuer Systeme entscheidend beeinflussen. Ein SAP-Consultant, der auch die „unsichtbare“ Seite des Eisbergs erfasst, kann gezielt Fragen stellen und den Transformations-Prozess so steuern, dass er nicht nur technisch, sondern auch kulturell harmoniert.
Praxis–Tipp:
Gehe aktiv auf deinen Kunden zu – frage nach den Werten, bisherigen Veränderungsprozessen und informellen Kommunikationswegen. So erhältst du wertvolle Einblicke in die „verborgene“ Seite des Unternehmens und kannst deine Lösung passgenau anpassen.
2. Neue Ansätze: Das Welt–Modell von Laloux
Frederic Laloux unterteilt Organisationen in unterschiedliche „Welten“ oder Entwicklungsstufen – von traditionell-hierarchisch bis hin zu selbstorganisierten, agilen Unternehmen. Dieses Modell hilft dir, die kulturellen und strukturellen Unterschiede deiner Kunden besser zu verstehen und deinen Beratungsansatz entsprechend anzupassen.
Die wichtigsten Ebenen des Welten–Modells
Rote Organisationen: Charakterisiert durch autoritäre Führung und impulsive Entscheidungen, oft in Krisensituationen zu finden.
Beispiel: Ein Unternehmen in einer akuten Krise, das schnelle, klare Anweisungen benötigt – hier zählt oft, dass du als Consultant kurzfristig strukturierte und klare Maßnahmen mit Hebelwirkung präsentierst.
Bernstein Organisationen: Traditionell, stark hierarchisch mit festen Regeln und Prozessen.
Beispiel: Ein Kunde, der in einem sehr regulierten Umfeld agiert, erwartet klare, dokumentierte Vorgehensweisen und strikte Einhaltung von Prozessen.
Beispiel: Ein SAP-Consultant muss hier auf Detailgenauigkeit und Zuverlässigkeit setzen. Ein zu „forsches Vorgehen“ könnte an der Regelstruktur deines Kunden scheitern.
Orange Organisationen: Zielorientiert, wettbewerbsfähig und ergebnisfokussiert – typisch für viele etablierte Unternehmen.
Beispiel: In einem orange-orientierten Unternehmen liegt der Fokus auf Performance und messbaren Kennzahlen (KPIs). Hier ist es entscheidend, dass deine SAP-Lösungen klar quantifizierbare Vorteile, wie etwa eine Kostenreduktion oder Effizienzsteigerung, aufzeigen.
Grüne Organisationen: Flache Hierarchien, Mitbestimmung und eine starke Unternehmenskultur stehen im Mittelpunkt.
Beispiel: Ein grüner Kunde legt großen Wert auf Transparenz und Einbeziehung der Mitarbeiter. Dein Beratungsansatz sollte hier auf partizipativen Methoden basieren, in denen der Dialog und gemeinsame Zieldefinition im Vordergrund stehen.
Teal Organisationen: Selbstorganisierte, agile Strukturen mit einem hohen Maß an Vertrauen und Eigenverantwortung – die letzte Stufe im Laloux-Modell.
Beispiel: In tealen Unternehmen gibt es oft flexible Entscheidungsprozesse. Als Consultant solltest du in der Lage sein, modulare und adaptive SAP-Lösungen zu präsentieren, die Raum für individuelle Anpassungen lassen.
Praxis–Tipps:
Frage frühzeitig nach, wie Entscheidungen getroffen werden, wie die interne Kommunikation verläuft und welche Werte im Unternehmen gelebt werden. Beobachte, wie beim Kunden-Mitarbeitende zusammen- oder gegeneinander arbeiten. Mit diesen Informationen kannst du besser einschätzen, in welcher „Welt” dein Kunde lebt – und deinen Ansatz darauf abstimmen.
Fazit: Maßgeschneiderte Beratung statt One–Size–Fits–All
Als SAP-Consultant hast du das Rüstzeug, um Standardprozesse effizient umzusetzen – aber es sind die individuellen Kundenbedürfnisse, die den entscheidenden Unterschied machen. Dein Erfolg hängt davon ab, wie gut du deinen Kunden verstehst und das in deinen Lösungsansatz integrierst.
Was sind deine Erfahrungen dazu? Wie bereitet ihr euch auf eure Kunden vor? Lass uns gerne ins Gespräch kommen!

Michael ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Bielefeld (HSBI) mit Schwerpunkt auf Consulting- und Change-Skills , als Junior-Professor für Business Consulting war er zuvor Initiator und Koordinator des Masterstudiengangs „Management Consulting“ an der Universität Oldenburg, michael.mohe@hsbi.de
Deine Plattform >>> Dein Content
Du hast auch spannende Themen, Gedanken und willst deine einzigartige Sichtweise in unserer Community auf das SAP Ökosystem teilen?
Dann schreib uns gerne und stimme dich mit Gründerin Sarah Niesel ab, ob wir gemeinsam was veröffentlichen können.
Neueste Beiträge
- Vom Teamlead zurück in die Fachlaufbahn – Warum Karriere nicht immer nach oben gehen muss
- Alle Schwäne sind weiß, alle Kunden sind gleich … Oder doch nicht?
- KI in SAP-Projekten: Welche Aufgaben bleiben, welche verschwinden?
- So bringst du deine SAP Junior:innen schnell und nachhaltig ins Projekt – die ultimative Guideline
- Dein Einstieg als SAP-Junior – Vom Sandbox-Modus ins echte Projekt